Sonnenuntergang, Tunnel und O-Beine: SC Altenrheine Ü32 demontiert Gellendorf mit 7:0
von Matthias Betz
Mittwochabend, 09.07.2025. 19:01 Uhr, der Anstoß auf Platz 3 in Altenrheine verzögert sich um exakt eine Minute – nicht aus organisatorischen Gründen, sondern weil das Spiel einfach Bock hatte, pünktlich zu sein, aber eben nicht zu sehr. Die Sonne steht tief, der Rasen ist in Topform, und das Publikum zwischen Campingstuhl, Bierbank und Grillgeruch reibt sich die Hände. Was dann folgt, ist eine Mischung aus sportlicher Machtdemonstration, Slapstick und gelegentlicher Dorftheater-Komödie.
Die ersten Minuten gestalten sich unspektakulär. Der SC Altenrheine zelebriert ein wenig TikiTaka im eigenen Strafraum – gefährlich schön oder einfach nur schön gefährlich, das bleibt Interpretationssache. Große Chancen gibt's zunächst keine, außer der für den Ex-Gellendorfer Chris Naberbäumer, der sich an der eigenen Strafraumgrenze tunneln lässt. Der Zuschauer sagt: „Autsch." Der Trainer sagt: „Weiter!"
In der 5. Minute dann der erste Hochkaräter: Kai Sandmann steht plötzlich ganz alleine vorm gegnerischen Torwart, nur er, der Ball, das Tor – und seine Nerven. Und die versagen. Nicht schlimm, denn bei der anschließenden Ecke stürmen elf Mann in den Strafraum, ein Bild wie bei der F-Jugend, wenn alle gleichzeitig auf den Ball losgehen. Ecke Nummer zwei bringt dann Klarheit: Felix Spielmann schraubt sich hoch und nickt das Leder per Kopf wuchtig ins Netz. 1:0. Kein Zweifel, dass das verdient war.
Während die Zuschauer noch darüber diskutieren, ob Kiddes O-Beine tatsächlich groß genug sind, um ein ganzes Schwein hindurchzuschieben – laut Axel sogar hochkant – geht das Spiel munter weiter. In Minute 13 schüttelt sich Naberbäumer kurz das Tunneltrauma ab, geht rechts durch wie ein Taschenmesser durch Butter und legt klug auf Adrian Turat ab. Der bleibt cool, zirkelt das Ding ins lange Eck. 2:0. Die Gellendorfer wirken da schon wie ein Hobby-Chor beim Auswärtsspiel – guter Wille, aber keine Struktur.
Wenig später segelt der Gellendorfer Torwart artistisch unter einem hohen Ball hindurch. Kipker zieht ab, ein Abwehrspieler rettet auf der Linie – mit der Hand. Schiedsrichter August Knips zückt den Finger und zeigt auf den Punkt. Elfmeter. Pete Wipperfürth tritt an und verschießt so kläglich, dass der Ball vermutlich die nächstgelegende Eckfahne touchiert hat. Pete versucht, sich unsichtbar zu machen, die Zuschauer diskutieren noch zehn Minuten später über diesen tragischen Aussetzer.
Doch Altenrheine lässt sich nicht beirren. In der 21. Minute scheitert Turat zunächst noch mit einem Schuss ans Lattenkreuz, Sekunden später macht er's besser – 3:0. Völlig verdient. Gellendorf spielt derweil weiterhin nur Anstoß. Mittlerweile zum vierten Mal. Ein Schüsschen auf das Tor von Tobi Reekers sorgt für verhaltenen Applaus bei den Altenrheiner Kindern auf dem Klettergerüst. In der 25. Minute bekommt Gellendorf dann endlich mal eine gefährliche Freistoßposition – das war's aber auch schon.
Wenig später ist es Kai Sandmann, der in der 28. Minute einen Freistoß um die Mauer ins Torwarteck zirkelt – 4:0. Der Torwart bleibt regungslos stehen, vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Erschöpfung. Zwei Minuten später stochert Kai Sandmann nach diversen Abprallern das 5:0 über die Linie. Der Gellendorfer Schlussmann hat sichtlich genug, lässt sich auswechseln. Man sieht es ihm an: Die Lust ist dahin, der Wille gebrochen.
Nach einem klaren Foul an einen Altenrheiner Stürmer, das Schiedsrichter Knips entweder übersehen oder mit der Vorteilsregel überspielt hat, staubt Henne Bäthker zum 6:0 ab. Danach ist Halbzeit. Durchatmen. Nicht nur bei Gellendorf, sondern auch bei den Zuschauern. Bier wird nachgeholt, Kidde fordert per Zuruf erneut ein Golf-Caddy für den Getränketransport. Der Weg ist weit, die Sonne steht tief, und irgendwo spielt im Hintergrund jemand mit einer Bluetooth-Box „Tage wie diese".
Die zweite Hälfte beginnt mit einem Déjà-vu: Naberbäumer wird erneut getunnelt. Es ist fast schon tragisch, wenn es nicht so lustig wäre. In der 46. Minute erhöht Henne Bäthker auf 7:0 – ein Schuss, ein Treffer, keine Gegenwehr. Gellendorf scheint nur noch körperlich anwesend zu sein, geistig sind viele wahrscheinlich schon beim Feierabendbier. Dann – Überraschung – der erste Torschuss von Gellendorf in Minute 48. Der Ball landet nicht im Netz, sondern ganz oben am Ballfangzaun. Zwei Minuten später wieder. Der Zaun hält, das Ergebnis auch.
Was folgt, ist ein kollektives Einschlafen. Das Spiel verliert an Tempo, an Spannung, an allem, was man sonst gerne auf Plakate druckt. Altenrheine hat keinen Bedarf mehr, Gellendorf keinen Plan. Die Zuschauer wenden sich langsam dem Trainingsspiel der dritten Mannschaft zu, das plötzlich interessanter wirkt als das eigentliche Spiel. Trainer Sascha Bernsmeier freut sich derweil über das Ergebnis. In seiner letzten Amtszeit war er eher Prügelknabe, das Ergebnis meist andersrum wie heute.
Schiedsrichter Knips hat schließlich ein Einsehen – nach 70 Minuten ist Schluss. Gellendorf wird erlöst, Altenrheine geht mit breiter Brust vom Platz. Ein Spiel, das in der ersten Halbzeit unterhaltsam, in der zweiten eher wie ein gemütlicher Radausflug wirkte. Verdient war's allemal. Und man muss sagen: Wenn ein Tunnel schöner aussieht als ein Tor, dann ist es eben doch kein normales Fußballspiel.